Mittwoch, 4. September 2013

zu Besuch beim Rabbi

Mordechai und Henny Machlis - Wer einmal nach Jerusalem kommt, der sollte sich diese Namen merken. Wieso? Das will ich kurz von Anfang an erzählen.

Was macht man an einem Freitagabend in Jerusalem? Richtig, man geht zur Westmauer. Im Deutschen als Klagemauer bekannt, wobei ich gar nicht weiß, woher eigentlich dieser komische Name kommt. Im hebräischen heißt die Mauer einfach Westmauer (הכותל המערבי), was mir auch viel passender erscheint.
Johanna, Matze und ich sind also am Freitagabend zur Westmauer gegangen. Die Stimmung ist super. Es ist irgendwie schön zu beobachten, wie nach und nach vor allem Juden in schwarzen Mänteln, mit Hut zur Mauer kommen, um den Shabbat zu begrüßen, also zu beten, Gottesdienst zu feiern.
Neben dieser großen Gruppe an sor allem schwarz gekleideten Menschen gibt es aber auch andere die kommen. Z.B. eine Gruppe von Soldaten. Alle mit Kippa, mindestens einer mit Gewehr (was man hier häufiger sieht). Sie stehen im Kreis, singen und tanzen. Lieder, die hier jeder kennt. Lieder, die auch wir in unserem Sprachkurs lernen. Manchmal singen sie ganz einfache Liederzeilen, wie: "Volk Israel", und wiederholen diese zwei Wörter zig mal in irgendeiner Melodie. Irgendwann sieht es fast so aus, als ob sie pogen würden, was sie aber wohl nicht tun. Sie haben einfach Spaß und das sozusagen im Angesicht Gottes.
Aber die Überschrift dieses Artikels lautet anders, also zurück zum Thema.

"Zu Besuch beim Rabbi" Und bei was für einem. Seit mehr als 30 Jahren organisiert die Familie von Mordechai und Henny Machlis ein Shabbatessen. Öffentlich. Jeder kann kommen. Kostlenlos. Jede Woche.
Vielleicht kann man das Shabbatessen mit dem vergleichen, was früher in Deutschland der Sonntagsbraten war. Es gehört irgendwie dazu.
Matze, Johanna und ich fahren also mit unseren Fahrrädern, nachdem wir an der Mauer waren, Richtung Rabbi Wohnung. Judentumskennern (und Kennerinnen ;) fällt schon der erste Fehler auf: Wir fahren. Kein religiöser Jude würde am Shabbat fahren. Egal ob mit dem Auto, mit der Bahn oder mit dem Fahrrad. Fahren ist Arbeit. Auch das Fahren mit Bus oder Bahn, denn das braucht Elektrizität und diese aktiv zu nutzen ist religiösen Juden am Shabbat nicht erlaubt.
Wir stellen also unser Fahhrad vor dem Wohnviertel ab und laufen das letzte Stück.

Das Essen beginnt um 21:05h. (Warum um 5 nach weiß ich auch nicht.) Es sind etwa 80 Leute da. Mordechai begrüßt. Seine Frau sei gerade in den USA, wo die beiden übrigens ürsprünglich herkommen. Falls das Essen also heute nicht so gut sein sollte, liegt es daran. (Es war gut! Wie gut ist es wohl sonst???)
Das Essen wird gebracht. Man reicht es irgendwie über die Köpfe hinweg, denn durch die vielen Menschen kommt man kaum durch. Es gibt Salat, Humus, Brot. Lecker. Ich will nicht zu viel essen, will nicht unhöflich sein, auch wenn es schade ist um den Rest, der am Ende in den Müll kommt. Gut, denke ich mir, ich bin jetzt nicht papp-satt, aber es war super lecker und super gastfreundlich. Und es ist einfach nett hier.
Es wird gebetet, gesungen, geredet. Irgendwann kommt auf einmal der nächste Gang: Suppe mit Gemüse und Fleisch (!) - für alle, die noch nie hier warne: Fleisch ist unglaublich teuer, zumindest wenn man es mit Deutschland vergleicht, wo Fleisch und tierische Produkte allerdings sowieso unfassbar wenig  kosten. Und das war noch längst nicht alles. Hauptgang: Hähnchen(!)bollen mit Reis. Nachtisch: Kuchen und Kekse. Und ich hab nach dem Salat gedacht, dass das alles wäre...
Immer wieder wird gebetet und gesungen. Was genau? Keine Ahnung, so gut kann ich es leider nicht. Mordechai, der Rabbi ließt einen Text aus der Tora (den 5 Büchern Mose) und legt ihn aus. Alle die möchten, können auch noch etwas dazu beitragen. Nach und nach stehen Leute auf, erzählen Geschichten und teilen ihre Gedanken. Die meisten sind Amerikaner. Sowieso ist an diesem Abend gefühlt jeder zweite ein Amerikaner, der hier in Israel für ein Jahr zur Jeschiwa geht, einer Art jüdischen Bibelschule, könnte man sagen.
Mordechai nimmt alles auf und legt es sofort nochmal aus, korrigiert es vielleicht auch ein bisschen, sagt seine Gedanken dazu, entfaltet es.

Schimschon, ein orthodoxer Jude, der bei uns am Tisch sitzt und neben Hebräisch nur Jiddisch spricht, was z.T. ganz witzig ist, weil er viele deutsche Wörter kennt, läd uns noch in seine Synagoge ein und in seine Jeschiwa. Erstaunlicherwiese konnten Matze und ich uns mit ihm verständigen, obwohl es im Grunde nur auf Hebräisch ging, der Sprachkurs hilft wirklich was. (Johanna saß übrigens an einem anderen Tisch - Frauen und Männer getrennt.)
Es waren aber übrigens nicht nur religiöse Juden da, sondern auch säkulare Juden oder deutsche nicht-Juden, wie wir. Ganz nach dem Motto unter dem das Ganze steht: "There will be no more lonely people" (Da wird es keine einsamen Leute mehr geben.)

Am Ende sind wir gut gefüllt und machen uns auf den Weg nach Hause. Doch leider ist unser normaler Weg dicht.
Wie schon gesagt, religiöse Juden fahren am Shabbat nicht. Und besonders daran halten tut sich der Stadtteil Mea Shearim. Zu Shabbat Beginn werden die Straßen für Autos gesperrt. Und auch Fahrräder sind unerwünscht. Wir nehmen also einen Umweg.
Der Freitagabend in Israel ist übrigens wie der Samstagabend in Deutschland. Jedoch sind hier die Straßen fast ausgestorben. In Deutschland wäre es voll, zumindest vor den Kneipen, Restaurants und Discos. Aber die sind hier am Freitagabend, dem Beginn des Shabbat, alle dicht.

Alle? Nein, nicht alle. Eine kleine Gruppe von Kneipen hält tapfer dagegen. Nämlich unter Matzes und meiner Wohnung. Also, auch am Shabbat keine Ruhe. Aber zum Glück schlafe ich tief und fest.
Also: Gute Nacht. (Morgen, also heute, um 07:30h wollen wir auf den Tempelberg. Mal schaun, was die da so machen.)
Blick in den Hof unter unserer Wohnung an besagtem Abend.


PS: Wer Kontaktdaten braucht frage mich oder gucke hier: http://www.machlis.org/
Man braucht keine Anmeldung, nichts. Aber es lohnt sich anzurufen und zu fragen, wann es genau losgeht. (Etwa 2,5h nach Shabbatbeginn.)
Man kann das ganze auch mit Spenden unterstützen.