Dienstag, 11. Februar 2014

Zwischenbericht



hallo ihr,
heute gebe ich einfach mal meinen Zwischenbericht zum Besten, den ich für meinen Stipendiengeber verfasst habe. (http://info.brot-fuer-die-welt.de/stipendienprogramm/stipendien-fuer-auslaendische)
 
„Und auf welcher Sprache sind deine Vorlesungen?“
Diese Frage wurde mir schon manches Mal gestellt, nachdem ich erzählt habe, dass ich für ein Jahr an der Hebrew University Jerusalem studiere. Die Antwort „Hebräisch“ löst immer wieder ein wenig Erstaunen aus, da viele davon ausgehen, dass meine Vorlesungen und Seminare auf Englisch seien.
Nachdem der Sommerulpan Anfang Oktober abgeschlossen war, begann kurze Zeit später das erste Semester, in dem ich weiterhin einen Sprachkurs besuchte. Die ersten Vorlesungen und Seminare begannen und schnell merkte man, dass das eigene Verstehen stark vom Gegenüber abhängt. Verstand man im vorigen Ulpan noch fast alles, merkte man spätestens jetzt, dass die dort verwendete Sprache stark auf unser Niveau abgestimmt war. Im richtigen Universitätsalltag war und ist dies natürlich anders. Manche Dozenten sprechen sehr schnell, manche langsam, manche benutzen viele einfache Vokabeln, manche viele schwierige. Immer noch verstehe ich in den Kursen nicht jedes Detail, doch ich merke immer wieder wie sehr sich mein Sprachvermögen seit dem Beginn des Semesters bereits verbessert hat.
Aber nicht nur in den Hörsälen braucht die Sprachfertigkeit Übung, sondern auch bei den normalen Gesprächen auf der Straße, mit den Sprach-Tandem-Partnern oder mit den Kommilitonen in der Uni. Es ist nicht immer einfach auszudrücken, was man meint und zu verstehen, was das Gegenüber antwortet. Ich merke, dass die Sprache immer noch eine Barriere für mich darstellt, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Leider wechseln die Gesprächspartner oftmals schnell ins Englische, wenn sie merken, dass Hebräisch nicht die Muttersprache ist, was das Üben natürlich nicht einfacher macht. Doch andererseits ist es auch schön zu merken, wenn man dann doch ins Gespräch kommt und sich über eine Stunde lang auf Hebräisch nicht nur über den alltäglichen Smalltalk, sondern auch über Studieninhalte und andere Themen unterhalten kann.
Eine andere Erfahrung, die auch mit dem Sprachvermögen zusammenhängt, ist es zu merken, was es heißt Fremder, Ausländer an einem Ort zu sein. Schnell kommt man in die „Gefahr“ vor allem mit Menschen etwas zu unternehmen, die die eigene Muttersprache können, da dies schlicht und ergreifend bequemer und angenehmer ist. Dadurch ergibt sich jedoch leider die Konsequenz, dass man weniger Zeit hat um etwas mit den Einheimischen zu unternehmen. Dabei hemmt immer wieder, wie oben bereits angemerkt, die unterschiedliche Sprachbasis Begegnungen. Auf Deutsch kann man deutlich einfacher sagen, was man möchte, was und wie man politisch und religiös denkt usw. Ich merke, wie schwierig es sein kann sich intensiv in eine Gesellschaft hineinzubegeben, wenn man auch die Möglichkeit hat in dem Gewohnten zu bleiben. Es ist immer wieder eine Herausforderung sich aus dem Gemütlichen zu begeben und auf das zuzugehen, womit man sich eigentlich gerne noch viel mehr beschäftigen möchte. Und ich stelle fest, wie hilfreich es ist und dass ich dankbar dafür bin, wenn Menschen auf mich zukommen, mich ansprechen und wir ins Gespräch kommen. Es ist gut diese Erfahrung des Fremd-Seins zu machen und sie erinnert mich immer wieder an den Bibelvers aus Levitikus 19,33-34: „Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott.“ Es fordert mich heraus mich selbst zu fragen, wie ich auf Fremde zugehe, in Kontexten, in denen ich der Einheimische bin.
Ist man im Land der Bibel unterwegs trifft man natürlich auch auf die unterschiedlichsten jüdischen und christlichen Strömungen. Von Orthodox über Katholisch, Lutherisch, Anglikanisch, Messianisch, Charismatisch usw. trifft man hier auf jegliches christliches Milieu. Je nach Kontext erlebt man unterschiedliche theologische Auslegungen und damit verbunden auch politische Überzeugungen. Es gibt die absoluten Verteidiger Israels, es gibt die absoluten Ablehner Israels. Es gibt die einen, die die Judenmission als wichtiges Ziel ansehen, es gibt die anderen, die sie völlig ablehnen. Manche kommen aus diesem Land, wie die arabischen Christen oder die messianischen Juden, viele andere sind zugewandert, wie die griechischen, äthiopischen oder chinesischen Mönche und Nonnen. Will man andere Christen kennen lernen hat man die Qual der Wahl. Ich war in anglikanischen, lutherischen, arabischen, armenischen, charismatischen, katholischen und messianischen Gottesdiensten (wobei sich manche dieser Kategorien auch überschneiden) und durfte dabei auch Mitglieder dieser Gemeinden kennen lernen, was ich immer wieder als Schatz und Reichtum erlebe. Doch das Gefühl sie ausschöpfend kennen gelernt zu haben besteht noch lange nicht.
So freue ich mich auf ein weiteres halbes Jahr hier in Jerusalem, auf ein neues Semester im Universitätsalltag, auf interessante Abende und Exkursionen mit dem Programm von Studium-in-Israel e.V. und hoffentlich viele weitere Begegnungen mit den unterschiedlichen Menschen hier vor Ort.

1 Kommentar:

  1. Wie schön, lieber Birger, wieder ein bisschen mehr von Dir zu lesen. Danke, dass Du uns, dass Du mich teilnehmen lässt an einigen Deiner Erlebnisse.
    Sei Gott befohlen und weiterhin viele gute Erfahrungen und Begegnungen.
    Liebe Grüße
    Nenne

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